Inhalt.
Das Stockholm Syndrom
Ursprung der Bezeichnung
Typische Situationen für die Entwicklung des Stockholm Syndroms
Verhalten von Opfern und Tätern beim Stockholm Syndrom
Als vernunftbegabter Mensch weiß man, dass jede Art von Gewalt, Missbrauch und psychischer Aggression ohne Wenn und Aber abzulehnen ist. Aber die Vernunft ist nicht immer die Instanz, die unser Handeln regiert. Es sind die Emotionen, die die eigentliche Macht über unser Tun haben. Den perfekten Beweis dafür liefert das Stockholm Syndrom. Ungesunde Beziehungen, in denen der dominante Partner ALLE und der sich unterordnende KEINE Rechte hat, sind davon gekennzeichnet. Erfahren Sie hier, worum es beim Stockholm-Syndrom geht, wie man es erkennt und wie man sich und anderen Betroffenen helfen kann.
Oft fürchten wir uns vor unseren eigenen Gedanken. Manchmal erschrecken Menschen mit Depressionen, wenn sie sich beim Gedanken an Suizid ertappen. Andere, die von Psychosen geheilt wurden, schaudern bei der Erinnerung, wie weit sie im damaligen Zustand zu gehen bereit waren. Wieder andere denken in den psychischen Höhenflügen der Bipolaren Störung, sie könnten das Wetter beeinflussen oder die gesamte Menschheit retten. Laut vielen Psychologen und Therapeuten sind jedoch meist jene am meisten über ihr Denken und Handeln überrascht und können es sich im Nachhinein nicht erklären, die in kontrollierenden und missbräuchlichen Beziehungen lebten und dies als normal empfanden.
Noch geschockter und überraschter sind die Freunde, Bekannte und Verwandte über die Reaktion, die nach einer Trennung auf dem Fuß folgt, wenn es dann heißt: „Aber ich vermisse ihn trotzdem. Ich liebe ihn immer noch. Ich bin eifersüchtig auf die neue Frau.“ Rationell unerklärbar?
Ursprung der Bezeichnung
Am 23. August 1973 stürmten zwei mit einem Maschinengewehr bewaffnete Männer eine Bank in Stockholm. Die beiden nahmen vier Geißeln, drei Männer und eine Frau, und hielten sie für die nächsten fünf Tage gefangen. Die Geißeln wurden – zur zusätzlichen Bedrohung und Einschüchterung – mit Dynamit bepackt und bis zu ihrer Rettung in einem Tresor der Bank festgehalten. Sie wurden von den Geiselnehmern psychisch missbraucht und mit der Erschießung bedroht.
Was die Welt allerdings noch mehr schockierte, war die Tatsache, dass die Geißeln sich irgendwann auf die Seite ihrer Peiniger schlugen anstatt auf jene der Polizei. Noch unverständlicher, sie wollten verhindern, dass die Exekutive zu ihrer Befreiung in die Bank eindringen konnte.
Eine der drei Frauen ging später eine Beziehung mit einem der Bankräuber ein. Eine andere gründete einen Fonds, aus dem die Verteidigung der Männer bezahlt werden sollte. Daraus wurde geschlossen, dass die Geißeln eine besondere, unerklärliche Bindung zu den Geiselnehmern aufgebaut hatten.
Seit dieser Episode wird der Status, in dem ein gepeinigter Mensch zum Peiniger eine Art Bindung eingeht, psychologisch als Stockholm-Syndrom bezeichnet. Doch schon früher kannte die Welt der Psychologie diesen Zustand auch aus dem familiären Umfeld. Es muss sich bei den Tätern nicht um gänzlich fremde Personen handeln. Wenn eine dominante Person eine schwächere terrorisiert und letztere dennoch die Bindung emotional nicht kappen kann, zeigt sie Charakteristiken des Stockholm Syndroms. Dieses zeigt sich in folgenden Situationen deutlich.
Typische Situationen für die Entwicklung des Stockholm Syndroms
·
bei Missbrauch von Kindern
· bei Gewalt und Missbrauch gegen Frauen
· bei Gewalt gegenüber Kriegsgefangenen
· in Kulthandlungen und Opferzeremonien
· in Geiselsituationen
· bei Situationen in Konzentrationslagern
· in einschüchternden, von äußerster Kontrolle geprägten Beziehungen
· bei Inzestopfern
Bei der Analyse des Syndroms wird festgestellt, dass es sich um eine Überlebensstrategie der Betroffenen handelt. Diese ist mittlerweile so gut beschrieben, dass die Polizei etwa bei Verhandlungen mit Geiselnehmern durchaus damit rechnen kann, dass die eine oder andere Geißel davon betroffen ist. Das Syndrom wird insofern als positiv angesehen, da es die Überlebenschancen der Geißeln hebt. Der Nachteil ist, dass die betroffenen Geißeln während der Befreiung und der Strafverfolgung nicht besonders mit der Polizei kooperieren.
Dasselbe gilt in alltäglichen Notfall-Situationen, zu denen die Exekutive gerufen wird: Frauen werden geschlagen und weigern sich, den Gewalttäter anzuzeigen. Frauen werden schwer misshandelt oder missbraucht und holen dennoch ihren Mann durch eine hohe Kautionssumme aus der U-Haft. Frauen gehen aggressiv gegen jene Beamten vor, die von Nachbarn gerufen wurden, weil sie Hilfeschreie aus dem Nachbargebäude hörten.
Verhalten von Opfern und Tätern beim Stockholm Syndrom
So betrifft das Stockholm Syndrom, oft auch SS genannt, genauso häufig enge, persönliche Beziehungen. Der Täter kann der Ehemann, aber auch die Ehefrau sein, der Partner oder die Partnerin, Vater oder Mutter, Bruder oder Schwester: jede Person, die in der Lage ist, Kontrolle und Autorität auszuüben.
In den meisten psychologischen Studien werden mehrere der folgenden Kennzeichen für das Stockholm Syndrom gelistet:
Das Opfer hegt mehrheitlich positive Gefühle für den Täter.
Das Opfer hegt mehrheitlich negative Gefühle für Familie, Freunde oder Beamte, die es aus der Situation befreien wollen.
Das Opfer unterstützt und versteht die Gründe für das Verhalten des Täters.
Der Täter hegt positive Gefühle für das Opfer und zeigt diese auch.
Das Opfer unterstützt den Täter durch Worte und Taten.
Verweigerung des Opfers zur Behandlung und Therapie, um der Situation zu entkommen.
Natürlich entwickelt sich in den meisten gewaltbehafteten Situationen oder Geiseldramen KEIN Stockholm Syndrom. Terror und Angst um das eigene Leben und das der Kinder, Angst vor Gewalt und Erniedrigung sind die häufigsten Gründe, warum sich Menschen nicht zur Wehr setzen.
In vier in der Psychologie bekannten Situationen ist es jedoch wahrscheinlich, dass sich das SS entwickeln kann oder bereits etabliert hat:
1. Eine Bedrohung für das eigene Leben wird wahrgenommen und es wird angenommen, dass der Täter durchaus imstande ist, diese Drohung wahrzumachen.
Der Täter berichtet von Episoden aus seiner kriminellen oder gewalttätigen Vergangenheit und macht das Opfer so durchaus glauben, dass er zu allem imstande ist.
Er erzählt vom Schicksal anderer Menschen, die nicht seinem Willen folgten. Subtil flößt er so seinem Opfer ein, dass es ihm jetzt und auch in Zukunft gehorchen werden muss, um zu überleben.
Er versichert dem Opfer hingegen immer wieder, dass durch seine Kooperation und Unterstützung das Leben des Opfers selbst und das seiner Angehörigen (Kinder, Anvertraute, Familienmitglieder) in Sicherheit ist. Wenn die Kooperation und Unterstützung verweigert werden, macht der Täter seine Drohung wahr und er schlägt zu.
2. Der Täter zeigt trotz der bedrohlichen Situation Freundlichkeit und Einfühlungsvermögen gegenüber dem Opfer.
Jeder Mensch in bedrohlichen Situationen hofft mit allen Fasern auf Erlösung und Verbesserung der Lage. Wenn der Täter nur winzige Zeichen setzt, dass dies möglich sein könnte, interpretiert dies das Opfer als Freundlichkeit oder gar Zuneigung. In sehr traumatischen Situationen (Krieg, Terrorismus) wird rein das Am-Leben-Gelassen-Werden als Freundlichkeit eines Täters angesehen. Das Opfer ist nicht mehr zu einer vernünftigen Bewertung der Situation in der Lage.
In privaten Beziehungen lässt sich dies übertragen auf kleine Freundlichkeiten des missbrauchenden Partners. Er schreibt eine Geburtstagskarte, kauft ein kleines Geschenk oder bringt – meist nach einer längeren Phase von Gewalt und Missbrauch – Blumen mit: Sofort wird ihm verziehen.
Dasselbe gilt auch, wenn das Opfer eine sogenannte weiche Seite an ihrem Peiniger – egal ob in Geiselsituationen oder privaten Beziehungen – entdeckt. Unbewusst wird eine Bindung zu dieser Seite des Täters aufgebaut, weil sie Hoffnung auf Verbesserung und Erlösung verspricht.
3. Dem Opfer fehlen Perspektiven außerhalb der Situation.
Es hat dauernd das Gefühl, auf rohen Eiern zu laufen, etwas Falsches zu tun oder etwas Falsches zu sagen. Um zu überleben, beginnt es, die Welt aus der Perspektive des Täters wahrzunehmen. Wer nur einen Euro in der Tasche hat, wird all seine Entscheidungen in Hinblick auf seine finanzielle Situation tätigen, weil sie ihm Sorgen bereitet. Wer in einer missbräuchlichen Beziehung lebt, trifft alle Entscheidungen zu handeln oder zu sprechen, mit dem Ziel, den Gewalttäter zufriedenzustellen.
Die einzige Intention ist irgendwann jene, Gewaltausbrüche oder Bedrohungen zu vermeiden. Weil das Opfer die Perspektive des Täters so genau zu verstehen lernt, kommt es zu irrationalen Handlungen: Das Opfer greift seine Helfer (Polizei, Eltern, Freunde) mit Worten oder körperlich an, wenn diese zu Hilfe eilen möchten. Unbewusst steckt die Angst dahinter, dass sich die Situation verschlimmert, wenn es das nicht tut. Es fühlt sich sicherer und denkt, die Situation einigermaßen unter Kontrolle zu haben, wenn es genau so handelt, wie der Täter das erwartet.
4. Das Opfer hat die Überzeugung, der Situation nicht mehr lebend zu entkommen.
In sehr vielen Beziehungen hat ein Part das Gefühl, es allein niemals zu schaffen. Oft spielen finanzielle Motive eine Rolle für diese Überzeugung, aber auch das heilige Versprechen der Ehe, geheimes gegenseitiges Wissen, das nicht nach außen dringen darf oder der soziale Status, der erhalten werden muss.
Oft droht der Täter dem Opfer mit Selbstmord, der Entführung der Kinder an einen unangreifbaren Ort oder ein anderes Land. Er droht mit der Verweigerung der Alimentszahlungen, er droht mit Lügen gegenüber Freunden und Familie oder er droht gar mit Verfolgung oder Mord. Er droht mit dem Verlust des Arbeitsplatzes durch Intrigen oder durch Zerstörung des Eigentums.
Fazit:
Wenn Sie selbst das Opfer in einer missbräuchlichen Beziehung sind, oder Sie ein solches kennen und diesem helfen möchten, ist es zunächst wichtig, den Mechanismus des Stockholm Syndroms zu erkennen.
Wer innerhalb eines Jahres erkennt, dass sich in der Beziehung ein SS entwickelt, hat gute Chancen, zu entkommen. Dauert sie jedoch länger als ein Jahr, oder ist es bereits zu einer Heirat oder Familiengründung gekommen, ist ein Ausstieg viel schwieriger.
Meist kommt es gar nicht erst zu Gesprächen mit Unterstützern oder zu Therapien, weil der Täter oder die Täterin das zu verhindern weiß. Es gibt jedoch viele andere, mentale und spirituelle Wege, um eine Bindung zu lösen. Spirituelle Methoden helfen und unterstützen das Erkennen, Lösen und Befreien aus missbräuchlichen Situationen.
Wenn ein Step-by-step-Plan zum Ausstieg aus einer solchen Partnerschaft existiert, hat das Opfer viel bessere Chancen, sich nicht immer wieder einfangen und überreden zu lassen. Durch spirituelle Mittel und Wege entstehen neue Perspektiven und Mindsets im Kopf, damit der missbrauchte Part loslassen kann. Sehr wichtig ist außerdem, dass er oder sie unterstützende Freunde, Bekannte und Verwandte an ihrer Seite haben, die sie im Prozess des Freiwerdens im Kopf unterstützen.
Egal, ob die Situation Sie selbst betrifft oder eine Person aus dem Umkreis, zögern Sie nicht, sich Hilfe und Rat zu holen. Je früher Sie handeln, umso besser stehen die Chancen auf Befreiung aus der destruktiven Beziehung.
»Ich sehe meine Motivation vor allem darin, die Erwartungen meiner Klienten stets zu übertreffen.«
Emanuell Charis
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