Wer war Marcus Aurelius?
Marcus Aurelius war ein römischer Kaiser, der im dritten Jahrhundert nach Christus als Adoptivsohn seines Vorgängers den Thron des Römischen Reiches bestieg. Er war nicht nur Soldat, Feldherr und Kaiser, sondern auch Philosoph. Sein wichtigstes Werk, die „Selbstbetrachtungen“, zählen auch heute noch zu den wichtigsten philosophischen Lebensratgebern. Sie waren nicht für eine Veröffentlichung gedacht, doch geben sie uns heute einen wunderbaren Einblick in kaiserliches Gedankengut und den Geist eines edlen und weisen Menschen.
Marcus Aurelius, der Philosoph.
Marcus Aurelius‘ Weltbild sieht als oberste Lebensprinzipien die Liebe zu den Menschen, zur Vernunft, zur Besonnenheit und zur Beharrlichkeit. In den „Selbstbetrachtungen“ erfahren wir, welche Leitsätze in seinem Leben vorherrschten und welchem Moralcodex er sich unterwarf.
Seine philosophischen Grundsätze entsprachen denen der Stoa. Diese philosophische Richtung sah ihre Aufgabe im Finden des Wegs zum Glück. Dazu sollte ein Mensch sich nur auf seine Seele konzentrieren; äußere Dinge wie Krankheit oder Gesundheit, Reichtum oder Armut, Ruhm oder Ansehen sind ihm unbedeutend und gleichgültig. Gelassenheit und Ruhe sind oberstes Ziel. Neben Marc Aurel gehören auch die Philosophen: Zenon von Kition, Seneca, Musonius, Poseidonios, Panaitios, Kleanthes von Assos, Ariston von Chios, Chrysippos von Soloi, Zenon von Tarsos, Diogenes von Babylon, Antipatros von Tarsos, und Epiktet zur Schule der Stoa.
Wie betrachtet Marcus Aurelius das Leben?
Marcus Aurelius betrachtet das Leben als eine „Haltestelle für Reisende“. In seinen Betrachtungen sind sowohl der sterbliche Körper als auch die Seele, das Schicksal, das Wesen und die Empfindungen nur Schall und Rauch, undefinierbar und unklar. Das Einzige, das uns im Leben sicher leiten kann, ist die Philosophie. Für Marcus Aurelius ist ein Philosoph jemand, der:
• „den Genius in sich vor jedem Schaden bewahrt,
• die Lust und den Schmerz besiegt,
• nichts dem Zufall überlässt,
• nie zu Lüge und Verstellung greift,
• fremdes Tun und Lassen nicht braucht,
• alle Begegnungen und das Schicksal als von dort kommend sieht, von wo er selbst ausgegangen ist,
• den Tod mit Frieden erwartet.“
Die Bedeutung der Gegenwart.
Die Gegenwart ist für jeden Menschen von gleicher Dauer. Auch wenn die Dauer der Vergangenheit und die Dauer der Zukunft unterschiedlich lang waren und sein werden, hat kein Leben dem anderen etwas voraus. Wer ein langes Leben hinter sich hat, besitzt nicht mehr als der, der nur wenige Tage alt ist. Wir besitzen immer nur den Moment der Gegenwart. Wir können nur das verlieren, was wir besitzen: Doch da wir weder die Vergangenheit noch die Zukunft besitzen, verlieren wir mit dem Tode alle dasselbe: den Augenblick des Jetzt.
Alles befindet sich in einem ewigen Kreislauf und die Dauer der Betrachtung – dreißig, dreihundert oder dreitausend Jahre – ist unerheblich.
Wie betrachtet Marcus Aurelius den Tod?
Der Tod ist die Auflösung in die Rohstoffe, aus denen jedes Wesen zusammengesetzt ist. Jeder Mensch wird immer wieder in ein anderes Wesen umgewandelt und bleibt damit Teil der Natur. Eine Auflösung und Umwandlung sind naturgemäß und damit nichts „Übles“. Der Tod hat nichts Schreckliches an sich.
Das Jenseits.
Marcus Aurelius vergleicht den Ort, wo sich einst die Seelen aufhalten werden, mit der Erde. Hier haben sich seit Jahrtausenden die toten Körper von Menschen, Tieren und Pflanzen aufgelöst und in neue Körper verwandelt. Dadurch haben sie den Platz für die nachfolgenden Toten geschaffen. Der „Luftraum der Seelen“ ist ähnlich zu betrachten: Sie bleiben eine Weile dort, werden dann „verwandelt und zerstreut, geläutert und in den Grundstoff des Alls aufgenommen und machen so den nachkommenden Seelen Platz“.
Jeder Mensch hat seine Vorstellung vom Tod, doch sollte man ihn als das betrachten, was er ist: „eine Wirkung der Natur“. Sich davor zu fürchten, ist, wie sich vor Blitz und Donner oder Feuer zu fürchten und zeugt von kindlichem Gemüt. Marcus Aurelius bezeichnet diese Naturwirkung des Todes sogar als heilsam, denn nur durch den Zerfall und die Zerstäubung des sterblichen Körpers bleibt das übrig, mit dem der Mensch letztendlich in Berührung mit Gott steht: die Seele.
Wie betrachtet Marcus Aurelius Gott?
Für Marcus Aurelius sind beide Möglichkeiten – die Existenz göttlicher Wesen ebenso wie deren Nichtexistenz gedanklich vorstellbar.
So philosophiert Marcus Aurelius in zweierlei Richtungen,
1. dass der Weltbestand nur Zufall sei, wo sich die Dinge zufällig verflechten und wieder lösen.
2. dass die Welt ein Ganzes voll Einheit und Ordnung sei, der eine Vorsehung zugrundeliegt.
Beide Vorstellungen führen zu der Einsicht, dass uns der Tod keinen Schrecken einjagen kann. Denn stimmt ersteres, müssten wir doch froh sein, eine Welt des Zufalls und des Chaos zu verlassen und wieder zu Staub zu werden. Stimmt zweiteres, können wir auf die höhere Macht vertrauen und guten Mutes sein.
Vorsehung und Zufall.
So ist Marcus Aurelius zutiefst überzeugt von einer göttlichen Vorsehung und Sorge um die Menschen. Gott hat für jedes Übel, in das der Mensch verfallen könnte, vorgesorgt und dem Menschen die Macht gegeben, dieses – wenn er will - zu verhindern. Die guten und schlechten Gaben, die Gott den Menschen zukommen lässt, werden vom tugendhaften Menschen nicht bewertet: „Tod und Leben, Ehre und Unehre, Schmerz und Vergnügen, Reichtum und Armut“ sind nicht positiv oder negativ behaftet und werden allen Menschen unabhängig von ihrem Charakter zuteil. Wenn wir beten, sollten wir nicht zu Gott beten, dass er unser Leben oder Schicksal verändert. Wir sollten darum beten, dass wir unsere Wüsche und Ängste überwinden.
Für Marcus Aurelius ist die göttliche Vorsehung überall sicht- und spürbar. Auch Zufälle sind nicht unnatürlich, sondern hängen ab vom „Zusammenwirken und der Verkettung der von der Vorsehung gelenkten Ursachen“. Alles, was sich in Harmonie mit dem Weltenplan und dem Großen Ganzen befindet, ist gut.
Sollte es also so sein, dass Gott unser Sein beschlossen hat, wird er das Beste beschlossen haben. Für Marcus Aurelius ist ein „Gott ohne Weisheit nicht denkbar“. Wenn Gott nicht unser persönliches Bestes beschließt, dann gewiss das Beste für das Große Ganze. Sollte es so sein, dass Gott gar nicht eingreift, dann können wir immerhin selbst die Beschlüsse für unser Leben fassen: nämlich so, dass sie unserer Natur und Anlage entsprechen, zum Besten für das „Gemeinwesen, für die Stadt , für das Land und für den Erdenkreis“.
Wie betrachtet Marcus Aurelius die Menschen?
Das Beste, was ein Mensch in seinem Leben hat, ist ein Geist, der voller Gerechtigkeit, Wahrheit, Mäßigkeit und Mut ist. Dieser ist sein höchstes Gut. Ein solcher
- kontrolliert menschliche Begierden,
- nimmt sein Schicksal gelassen an,
- handelt vernunftmäßig,
- legt sich selber Rechenschaft ab
- und unterwirft sich der Leitung Gottes.
Er kümmert sich außerdem um seine Mitmenschen und lässt sich zu nichts hinreißen, was ihn von diesem höchsten Gut abbringt.
Charakter.
Für Marcus Aurelius sind die höchsten Tugenden Festigkeit und Wahrheit im Charakter, ein Sich-selbst-nie Verleugnen und die Liebe zu Gerechtigkeit und Freiheit. Wenn wir jede Tat so angehen, als ob es die letzte unseres Lebens wäre, würden wir sie überlegt und ohne Hast ausführen. Heuchelei und Eigenliebe wären nicht mehr Bestandteil unseres Denkens. Laut Marcus Aurelius ist dies das Einzige und Wenige, das Gott von uns verlangt.
Marcus Aurelius verurteilt besonders die Eitelkeit, die sinnlichen Reize und der Wunsch nach Bewunderung, nach der sich so viele Menschen sehnen. Ruhm und Ehre sind, obwohl ihnen der Mensch so viel Bedeutung beimisst, vergänglich und unbedeutend.
Kein Mensch kann alles ergründen, weder alle Geheimnisse der Erde noch die Gedanken und Gefühle der Mitmenschen. Marcus Aurelius bezeichnet einen solchen Versuch als jämmerlich. Ein Mensch sollte mit dem „Genius“ in sich selbst verkehren und nur diesem dienen, anstatt sich mit dem Außen zu beschäftigen.
Was sollen Menschen in ihrem Leben tun oder vermeiden?
Marcus Aurelius verurteilt ein „Aufschieben auf später“, indem er an die befristete Zeit erinnert, die uns Menschen gegeben ist. Er ruft uns auf, keine günstigen Gelegenheiten ungenützt verstreichen zu lassen und keine Ausreden zu suchen, warum wir sie nicht am Schopf packen.
Wir sollten uns immer an unsere Endlichkeit erinnern und daran, dass wir am Ende unseres Lebens am meisten unter dem Gefühl verpasster Gelegenheiten leiden werden. Auf dieses Argument kommt Marcus Aurelius immer wieder zurück, so scheint es für ihn zu den wichtigsten seiner philosophischen Gedanken zu gehören. Nicht nur Taten, auch das Denken der Menschen sollte sich stets so orientieren, als ob ihre momentanen Gedanken die letzten ihres Lebens wären.
Wer sich zu viele Gedanken über andere macht, versäumt seine eigenen Aufgaben und Pflichten. Der eigene Geist wird dann mit Inhalten abgelenkt, die nichts zu den eigenen Tugenden beitragen.
Wir sollten aus unseren Gedanken alle Inhalte verbannen, die wir nicht auch jederzeit laut aussprechen könnten. Unsere Gedanken sollten einfach und wohlwollend sein, frei von Hass oder Argwohn. Niemals sollten wir uns aufgrund unserer Gedanken schämen oder beim Aussprechen dieser gar erröten.
Der tugendhafte Mensch denkt über sich selbst nach, über seine Bestimmung, die er so gut wie möglich zu erfüllen versucht. Er hinterfragt seine Bestimmung nicht, da er weiß, dass sein Los das Richtige und Beste für den Weltenplan ist.
Die Anerkennung der Massen ist unwichtig. Wichtig soll uns die Anerkennung der Wenigen sein, die gemäß der Natur leben. Die Anerkennung von Menschen, die mit sich selbst unzufrieden sind und nicht gemäß ihrer Natur leben, braucht der tugendhafte Mensch nicht.
Niemals sollten wir unsere Urteile vorschnell bilden. Urteilskraft muss geschult werden. So können in uns keine Meinungen entstehen, die einem vernunftbegabten Wesen und seiner Natur widersprechen.
Wie Ärzte stets ihre Utensilien für den Notfall bereit haben, sollten auch wir Menschen stets mit Grundsätzen ausgestattet sein, um göttliche und menschliche Dinge richtig beurteilen zu können.
Auch dürfen wir unsere Mitmenschen und die Handlungen Gottes nicht be- oder verurteilen. Wenn uns das Tun unserer Mitmenschen nicht gefällt, sollten wir sie wie Blinde betrachten, wie jemand, der „schwarz und weiß“ nicht zu unterscheiden vermag. Wir sollten uns in sein Denken versetzen und ihn zu verstehen versuchen. Sinnen wir niemals nach Rache und Vergeltung. Messen wir uns nicht nach anderen, außer in einem Punkt: dem Gut der Bescheidenheit. Was andere von uns denken, sei uns egal, denn wir werden durch ihr Lob und ihren Ruhm nicht besser.
Jeder Gegenstand unserer Gedanken sollte von uns genau untersucht werden, richtig und vernunftgemäß. Wir sollten ihn von allen Seiten beleuchten, seinen Zusammenhang mit anderem verstehen lernen, den Ursprung des Gedankengegenstandes ergründen, seien Nutzen beurteilen – vor allem seinen Wert für das Große Ganze UND den Wert für den einzelnen.
Jedes Ereignis unseres Lebens kommt entweder von Gott, von der Verkettung der Dinge, von zufälligen Zusammenflüssen oder von einem Mitmenschen.
Das bedeutet im übertragenen Sinn, dass wir uns von allem befreien sollten, das uns gedanklich belastet oder quält: egal, ob es sich um unser Schicksal, um böse Zufälle oder die Taten unserer Mitmenschen handelt.
Fazit: Marcus Aurelius. Philosophische Gedanken über Leben und Tod, Gott und die Welt.
• Als Stoiker glaubt Marc Aurel, dass der gesamte Kosmos beseelt ist und sich stets wandelt durch Auflösung und Umwandlung. Dies gilt in gleichem Maße für physische Körper als auch für Seelen.
• Dem Tod sollten wir nicht mit Angst und Schrecken begegnen, sondern so, als ob er das natürlichste Ereignis der Welt wäre. Im Tod wird die Gleichheit aller Wesen klar. Die Dauer der Lebensspanne ist unerheblich. Wir besitzen werden Vergangenheit noch Zukunft, sondern nur den Moment des Jetzt. Und dieser winzige Augenblick ist alles, was wir im Tod verlieren.
• Der Mensch ist in ein Großes Ganzes und einen Weltenplan eingefügt und hat damit sein Schicksal zu ertragen. Gott sorgt sich um seine Schöpfung und hat das Beste für sie vorgesehen, auch wenn wir es nicht sofort erkennen.
• Die Aufgabe jedes Menschen ist, sein höchstes Gut, seinen Geist, zu pflegen.
• Der Mensch soll ein tugendhaftes Leben führen. Große Tugenden sind bei Marc Aurel ein fester, wahrer, freiheitsliebender und gerechtigkeitsliebender Charakter.
• Hinderlich und zu vermeiden sind Sinneslust, Gier nach Macht und Ruhm und Eitelkeit.
• Wir sollen so leben, als ob jede Tat und jeder Gedanke unser letzter wären. Verpasste Gelegenheiten werden uns am Ende am meisten quälen.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Selbstbetrachtungen